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Thailand im März 2017



Koh Mak, 06.März 2017




Eine Reise bringt immer wieder Überraschendes.

An der laotisch-thailändischen Grenze trotten wir in der Hitze des Spätnachmittags an den ärmlichen Hütten der Straßenverkäufer vorbei, als plötzlich Andrea Grupp, eine Freundin von Jana & Steffen, auf uns zusprintet. Sie ist ebenfalls seit Oktober in Südostasien und hatte Laos nicht auf dem Plan. Wir hören aber, dass sie gerade 4 Wochen im Land war und auf dem Weg - wie wir - nach Bangkok und von dort nach Myanmar. Da wir Mühe hatten, unserem Guide und der Gruppe zu folgen, mussten wir uns überhastet verabschieden. In der Schlange an der Thai-Immigration aber konnten wir uns etwas austauschen. Wie der Zufall so spielt, stellte sich heraus, dass auch sie auf Don Det bei Lutz im „mamaleuah“ war. Und zwar kam sie genau einen Tag dort an, nachdem Dani, Edith und ich abgereist waren. Was für ein Hammer!
Einige Wünsche und ein schnelles Foto und wir saßen im engen Bus nach Ubon.

Eine kleine Episode am Rande, die zeigt, wie klein die wundersame Welt doch ist und wie schön der Zufall manchmal spielt.

Die Fahrt im Schlafwagen durch die Nacht war rasant und bequem.

Das ewige Rattern wiegte uns weniger in den Schlaf als es uns wachrüttelte.

 

Mit der Eisenbahn „betritt“ man eine Stadt wie durch die Hintertür. Keine säulengetragenen Portale, keine Empfangshallen, kein schwarzbefrackter Portier öffnet die Tür. Man sieht in den zusammengeflickten Hütten beiderseits der Gleise ungeschminkt und ohne Beschönigung nur das erbärmliche Gesicht des nackten Überlebenskampfes.

Dieses ist Bangkok, noch immer. Nicht die goldverzierten Portraits des verstorbenen Königs, der allgegenwärtig ist in dieser Stadt, noch immer. Und noch immer trauern die Thais in schwarzer Kleidung. Wenngleich das Schwarz etwas verwaschen, die Trauergebinde an öffentlichen Gebäuden etwas verrutscht sind.

Dennoch liefen wir fahrplanmäßig und einigermaßen ausgeschlafen in den Hua Lamphong ein, den Hauptbahnhof von Bangkok. Der Moloch hatte uns wieder. Nach einem kurzen Frühstück lieferte die Millionenstadt den Beweis.

Mit dem Tuk Tuk stauten wir auf „Schleichwegen“ vom Bahnhof zum Ost-Busbahnhof Ekamai. Die nervige Fahrt im Gestank und Lärm der Millionenstadt dauerte eine Stunde für wahrscheinlich nicht ganz 10 km. Jetzt war der Bus dran.

Wir erwischten einen supermodernen Doppelstöcker. Aber auch dieses zeitgemäße Gefährt steckte lange Zeit im Stau fest.

Moderne Zeiten halt im Schwellenland, das längst im Jahr 2560 nach Buddha angekommen ist und in Asien sich auf dem „Vormarsch“ befindet - in die selbe Katastrophe wie der Westen.

Es dauerte lange, draußen vor dem Busfenster, bis die wild zergliederte Industrielandschaft sich im Grünen verlor und von endlosen Plantagen ersetzt wurde - Gummibäume, Ölpalmen, Bananen, Ananas, Durian, Cashewnut.

Wieder dasselbe garstig Lied!

Dennoch muss eines klar festgehalten werden - und jetzt in der Langeweile der Busfahrt ist vielleicht der richtige Moment:

Hier in Südostasien ist das Leben so, als hätte jemand dem Fluss der Zeit Kontrastmittel untergemischt.
Alle Eindrücke des Tages werden verstärkt. Es gibt hier sehr schöne Tage, aber auch richtig schlechte Tage, und wenig dazwischen.

An den guten Tagen leuchtet der Himmel so blau und die Morgenluft ist so frisch und noch kühl. Die Sonne taucht das Land in ein goldgelbes Licht. Alles was man sieht, erscheint neu und nie gesehen. Das zahnlose Lächeln einer alten Frau, deren Haut ausgegerbt wie Reptilienhaut ist. Der Bougainvilleabusch, der auf dem Balkon einer verfallenen Kolonialvilla wächst. Der Duft des Frangipani- oder die Form eines Mangobaumes. Jeden Augenblick möchte man gern mit einer Kamera festhalten. Der Verkehr scheint sich auf wundersame Weise selbst zu regeln, als stünden die Teilnehmer in geheimer Verbindung zueinander.

Und dann sind da die schlechten Momente.
Die Menschen leiden unter der brennenden Sonne, das grelle Licht ist schonungslos und entblößt, wie unansehnlich und dreckig die Straßen sind. Der Gestank der Kanalisation und der Abgase nimmt dir den Atem. Die Kakerlaken so groß wie Monster verkriechen sich in deinen Träumen.

An solchen Tagen fühlt man sich beobachtet, spürt die Blicke, sieht, wie die Tuk-Tuk-Fahrer aus dem Tiefschlaf aufschrecken und auf einen zurennen, hoffen auf einen schnellen Dollar. Sie sind berechnend. Wollen nur dein Geld. Man muss auf der Hut sein.

Im wirklich amüsanten Geschichtenband "Sightseeing" des Thai-Amerikaners Rattawut Lapchaoensap sagt einmal die Mutter des Erzählers über die "Farangs":
"Du bietest ihnen Geschichte, Tempel, Pagoden, traditionelle Tänze, Schwimmende Märkte, Fischcurry, Tapiokadessert, Seidenweber-Kooperativen, aber sie wollen bloß wie Wilde auf einem riesigen grauen Vieh herumreiten und auf Mädchen herumkeuchen, und in der Zwischenzeit halbtot am Strand liegen und Hautkrebs kriegen."
Eine eigenwillige Sichtweise, zugegeben, aber ein Körnchen Wahrheit liegt sicher in dieser netten Verkürzung.


 


Von Trat im Osten Thailands fahren wir mit dem Schnellboot auf die Insel Koh Mak in einen Basic-Bungalow im ruhigen Westen der Insel, abseits der glatten Resorts.


Am chilligen Strand steht das Restaurant aus wackligem Schwemmholz gezimmert und einfachsten Bambusstangen gehalten



unter schattenspendenden Kokospalmen, roten und großblättrigen Mandelbäumen, Kasuarinen und vereinzelten kleinen Fächerpalmen.



Vom Sandstrand aus unter den überhängenden Bäumen sieht man malerisch vorgelagerte Inseln.



Die Lage atemberaubend, wie es bei solchen Ausblicken oft übertrieben heißt, obwohl jeder Betrachter ruhig weiter atmet, als wäre nichts gewesen.




Zum Beispiel ein dichtbewaldetes Inselchen, wie zum Greifen nahe, dazwischen ein Streifen Meer. Und die immerfort gurgelnden Wellen am zackig ausgefransten Gestein vor der Hütte. Sogar eine Privatinsel mit kleinem Resort gegenüber, für deren Besuch man 50 Baht bezahlen soll. Was wir nicht wollen. Wir haben unsere eigene Idylle. Ein sehr guter Ort zum Entspannen.


 

Erster Spaziergang durch wildes Land, auf einer kleinen Straße ins Inselinnere, zu beiden Seiten Fels und Gestrüpp, das Wäldchen mit der Schnur gezogener Reihe kerzengerader Gummibäume, verlottert verlassen.



Eine Straße wie ins Nirgendwo. Eine lange Zeile von Hütten in erschöpften Farben abseits des Wegs. Kein Ort dann, nur rote Sandwege zum Ufer, zu den Resorts. Und endlich am Meer, den Stränden der Boutique-Bungalows, müllbereinigt und geharkt für die schönsten Stunden des Jahres. Nach einem Chang gegen die untergehende Sonne wieder zurück. Diesmal am aufgeräumten Strand. Der nach dem letzten Resort aufhört, aufgeräumt zu sein. Über verkeiltes Geäst, gefallene Bäume und verschüttetes Plastik, Waten durch seichtes Gewässer zurück zum einfachsten „Baan Ing Kao“ - unserer Bleibe.

Im Paradies ist nur das Wifi schlecht - aber nur manchmal.

Alles andere ist halt paradiesisch. Das Wasser so klar und schwimmwarm, die Aussicht so romantisch, der Sandstrand so von Kokospalmen überragt wie im Bilderbuch, das Plätschern der ewigen Wellen so unentwegt



und der Sternenhimmel so funkelnd und nah. Es ist ein Traum.

Hier werden wir die nächsten und vielleicht letzten Tage unserer Reise verbringen.

Mit einem erfrischenden Bad am frühen Morgen statt der Dusche im winterwarmen Badezimmer, einer Nudelsuppe mit Blick auf Wellen unter dem indischen Mandelbaum statt Brötchen mit Wurst oder Marmelade mit Blick in die Wirren des täglichen trumpalen Globalgeschehens, einem Spaziergang am naturbelassenen Strand mit den nackten Zehen im weichen Sand statt dem Einkauf bei Tengelmann, baumelnde Stunden in der Hängematte

 

statt der öden häuslichen Hausarbeit und träumerische Gedanken beim Anblick der Milchstraße statt kostspieligem Kulturzeitvertreib.

Was sind wir doch für Kulturbanausen!


 

Am 3. Februar wurde der auf Fotos immer noch jugendliche Paul Auster 70 Jahre alt. Und rechtzeitig zum Ehrentag erschien sein neuestes Buch, sein Alters- und wohl sein Lebenswerk, wie er selbst bekannte:
„Denn ich habe immer das Gefühl, die Sache noch besser machen zu können. In diesem speziellen Fall aber war ich unmittelbar nach der Fertigstellung der Überzeugung, das Buch meines Lebens geschrieben zu haben."
Auf beinahe 1300 Seiten und unter dem Romantitel „4,3,2,1“ schrieb er in den letzten Jahren die Geschichte des Archie Ferguson in 4 Lebensentwürfen zu seinem alten Thema in der „Musik des Zufalls“: Wie groß ist die Kluft zwischen dem Leben, das wir führen, und dem Leben, das wir führen wollen?

So erleben wir im Folgenden die in vier Versionen durchexerzierte Geschichte eines Mannes auf seiner Reise durch das wechselvolle Amerika der Fünfziger- und Sechzigerjahre. All das sieht man durch die Augen der wechselnden Archies ebenso wie die Geschichte seiner Familie - und jene seiner Schriftstellerwerdung. Doch jeweils mit unterschiedlichem Ausgang.

 

Auf diese lang ersehnte Neuerscheinung stieß ich erst heute im Internet - durch Zufall. Ausgerechnet kurz vor unserer Rückkehr. So als wollte irgendjemand uns mit diesem Wink die Heimkehr in die gewohnten Lesewelten schmackhaft machen.

Am 7.3. landet am Morgen eine Maschine von Qatar Airways in Bangkok.
Etwa 200 deutsche Raver und 20 DJs aus Börlin wollen dann 2 Nächte die Stadt „rocken“, wie es auf der Website (www.thaibreak.net) munter heißt. Am 9.3. dann fallen sie hier auf Koh Mak ein und belegen alle Resorts des nördlichen „Suan Yai Beach“, nur ein Katzensprung von unserem Bungalow entfernt. Leseprobe gefällig:
„Die wunderschöne Insel Koh Mak liegt im östlichen Golf von Thailand, unweit der großen Nachbarinsel Koh Chang und trotzdem fernab des touristischen Trubels. Mit einer Größe von 16 qkm ist Koh Mak recht überschaubar und lässt sich easy mit dem Moped, zu Fuß, dem Boot oder dem Jeep Taxi erkunden. Die sympathische Größe machen wir uns zu Nutze und lassen Thaibreak an den schönsten Spots der Insel stattfinden. Und die haben wir mit Sicherheit gefunden!

Unsere Thaibreak Base befindet sich am 1,5 km langen Suan Yai Beach. Hier haben wir alle Resorts exklusiv für Thaibreak reserviert. 3 Restaurants, ein kleiner Supermarkt, der Info Point und ausreichend Massageplätze säumen die Beachfront.“


Alles klar? Klar auch, was wir zu tun haben.

Am Morgen des 9.3. nämlich werden wir Koh Mak fluchtartig mit dem Schnellboot verlassen und uns noch 5 Tage auf Koh Chang vergnügen, bevor wir am 14.3. noch 2 Nächte Bangkok „rocken“. Wie stellt man das bloß an?

Mal wieder mit dem Rad unterwegs. Koh Mak ist zwar flach, hat aber dennoch heftige Steigungen und angenehme Abfahrten hinunter zu den vielen Buchten an der Küste. Die Insel hat grob die Form eines Seesternes und dadurch viele Landzungen und Buchten. Beim kleinsten Dorf Ao Nid ist eine Anlegestelle für Katamarane und Speedboote



und von der Höhe hat man eine wunderschöne Sicht auf das Meer und die kleinen Inseln. Als nächstes fahren wir an die Nordküste hinunter ins Ban Ao Talong, ein heruntergekommenes Fischerdorf,



in dem in demnächst zerfallenen Hütten in Platten gegossenes Gummi zum Trocknen hing.



Im „Bamboo Hideaway Resort“ über dem Meer mit herrlicher Aussicht und herrlichen Menschen lassen wir uns ein herrliches Guacamole schmecken.



Zum Schluss besuchen wir die malerische Bucht „
Ao Suan Yai“, in der ab 9.3. die deutschen Raver - wie gesagt - die Nacht zum Tage rocken werden. 



Vielleicht bleiben wir ja noch eine weitere TagNacht, wenn die Sandfliegen es zulassen. Unsere Bungalownachbarin Ingrid aus ehemals Oberfrrranken und seit etwa 30 Jahren in Südportugal wohnend und arbeitend, sieht seit dem 2. Tag jedenfalls aus wie ein Streuselkuchen.


Klong Phrao Beach, Koh Chang, 12. März 2017



 



Gestern hat Sokra gemailt.
Er teilte uns unter anderem mit, dass er uns im Februar mit seinem Freund Sithi auf Don Det genau an dem Tage überraschen wollte, als er von Lutz erfuhr, dass wir am Morgen die Insel verlassen hätten. Edith und ich hätten damals ja gerne noch 1-2 Tage verlängert, aber Daniel konnte uns zur Abreise bewegen, weil er ja noch Nordlaos bereisen wollte. Hätten wir ihn zum Bleiben überreden können, wäre sowohl Andrea als auch Sokra die Überraschung gelungen und wir hätten zusammen wohl, wenn nicht einige Tage, so doch einige schöne Stunden gemeinsam verbringen können.

Man fragt sich unwillkürlich, nach wessen Plan da etwas schief gegangen ist.
Da war sie wieder, die Musik des Zufalls, wie sie Auster nennt. Wenngleich in diesem Zufall etwas verhindert wurde und nicht in Gang gesetzt. Aber so hauchdünn sind manchmal die Trennlinien zwischen dem, was ist und dem, was hätte sein können.

Aber dennoch war es wieder mal so ein bemerkenswerter Zufall in einer Welt voller Zufälle und unaufhörlichem Chaos.

Heute haben wir nochmals die Ruhe der Bucht genossen, in die demnächst die Ravermeute einfallen und musikalisch der Teufel los sein wird. Die Bungalows sind weitgehend leer, ebenso die Liegen am Strand, die lauschige Beachbar und alles macht den Eindruck, als hole es noch einmal tief Luft vor der kommenden Invasion. Selbst die Musik bemüht sich um Kontenance und lässt sich von der milden Brise bereitwillig verwehen.



Insgesamt also strahlt der Strand eine solch ungewöhnliche Gelassenheit aus, dass man das Gefühl hat, er gönnt sich diese Ruhe eben vor dem angekündigten Sturm.

Auch die riesigen Blätter des indischen Mandelbaums segeln in Superzeitlupe zu Boden und legen sich sanft wie Federn in den weißen Sand.

Die vielen Tage am Strand haben wir genosssen.



Bei den späten Spaziergängen, wenn der Boden nicht mehr zu heiß ist, den weichen weißen Sand zwischen den Zehen zu spüren, die leichte Meeresbrise und immer wieder die auffallend warmen Luftströme, die uns sanft umhüllen, zu warm für den Abend, feuchtes und mildes Tropenklima am Abend, der so wunderbar lau ist.



Die innere Ruhe strahlt f
örmlich aus. Alles ist im Lot. Wir spüren es.
Vielleicht kann man diesen Zustand auch Langeweile nennen. Wir genießen ihn dennoch.


Denn das Gefühl, dass die Zeit eine lange Weile stehen bleibt, wenigstens sehr langsam voranschreitet und sich Zeit lässt und dir Gelegenheit gibt, über vieles nachzudenken. Die Zeit verstreichen zu lassen ohne Reue, ist irgendwie magisch. Es geht dabei nicht um die praktischen Probleme der nahen Zukunft. Die verdrängen wir gekonnt. Dafür bleibt später Zeit.

Die Überlegungen sind anderer Art und irgendwann schwebt man wie die Gedanken selbst schwerelos und mit der Leichtigkeit einer Feder - gerade nach der Nachricht von Austers literarischem Experiment - durch die eigene Geschichte.
Nicht, dass man sich besser verstünde danach. Aber man freundet sich mit dem Menschen, der sich durch die eigene Kindheit und Jugend gequält hat, wieder etwas an, und man lächelt meist milde über ihn und seine abstrusen Ideen und Taten.

Blick vom Bungalow auf das Meer.

Allmählich kommt ja schon etwas Wehmut auf.
Und wenn man an die ersten Tage zu Hause denkt, erkennt man sehr schnell, dass sich das Tempo der Beschäftigung erheblich ändern wird. Natürlich vergewissern wir uns gegenseitig, weiterhin die Ruhe zu bewahren und Hektik nicht aufkommen zu lassen. Aber schon beim Denken an das Zuhause füllt sich die To-Do-Liste automatisch - und in welchem Umfang! Potzblitz!

Wir sitzen in der Dunkelheit mit mulmigem Gefühl auf der Terrasse.
Aber noch umhüllt uns die Freiheit des Reisens und schenkt uns Gefühle, die wir möglicherweise vermissen werden.
Aber noch plätschern die Wasser des Golfes von Thailand vor unserem spartanischen Bungalow, vor dem sich die Wellen lauthals brechen.
Aber noch ist nicht aller Tage Abend - wie der Volksmund gutgemeint sagt.

Und über uns ein Himmel voller Sterne.
Das Sternenmeer tut gut. Man kann sich im unendlichen Raum vertiefen. Kein anderer Anblick führt so sehr von einem selbst weg, so sehr in die Ferne, dass man sich fast darin verliert. Und wie!




Am Morgen Abschied von Koh Mak und von Ingrid, unserer Bungalownachbarin. Ursprünglich aus Oberfrrrranken, seit 30 Jahren aber wohnt und arbeitet sie in Südportugal und reist immer wieder in der Weltgeschichte herum.

Wir wechseln die Insel.


Das kleine Schnellboot hat einige Mühe gegen die heute höheren Wellen anzukommen. Mit großer Wucht wird es immer wieder hochgehoben und schlägt mit lautem Knall auf das Wasser, dass die Gischt einige der Passagiere mit einer Dusche bedenkt. Insgesamt eine Stunde dauert die Fahrt und beim Anlegen in Kai Bae sind einige Gesichter fahl bis bleichgelb.

Am „Klong Phrao Beach“ im Westen von Koh Chang, der Elefanteninsel, werden wir noch 5 Tage in der Sonne liegen. Sandfliegen und das Raveevent „Thaibreak“ auf Koh Mak haben uns von dort vertrieben. Wollen wir hoffen, dass es uns hier nicht ähnlich ergeht. Der Ort selbst ist zerfahren, bietet aber alles, was der durchschnittliche Tourist eben so braucht. Am Abend auch das artistische thailandische Fußballtennis, meist gekonnt vorgetragen.





Unser "Sabaidee Resort" liegt abseits der Hauptstraße, ganz nahe am Strand



und dieser ist in etwa 200 m entlang an einer idyllischen Lagune zu erreichen.



Der erste Eindruck stimmt. Unser Bungalow im Palmenhain unweit vom Meer ist geräumig und bequem, mit großer Terrasse im Grünen, auf der wir am späten Nachmittag ein Päuschen vom Garnichtstun einlegen können.





Der breite weiße Sandstrand mit den überhängenden Kokospalmen, den hübschen indischen Mandelbäumen und filigranen Kasuarinen ist eigentlich sehr schön,



aber leider zieht sich das Meer ab dem frühen Nachmittag zurück und dann muss man zum Schwimmen sehr weit hinauswaten.



Auf unserem morgendlichen Weg zum Strand spazieren wir an den Wassern der idyllischen blauklaren Lagune vor zum Meer. Herrlich.



Erst Mitte der 90iger Jahre wurde die zweitgrößte Insel von Thailand für den Tourismus geöffnet. Vorher war sie militärisches Sperrgebiet. Grund: die Nähe zum krisengeschüttelten Kambodscha sowie den marodierenden Rebellen, Schmugglern und Piraten. Und da die gesamte Inselwelt zum „Marine Nationalpark“ erklärt wurde, blieb das Naturparadies von Abholzung usw verschont.
Regenwald, Mangroven-Lagunen, fast tausend Meter hohe Berge im Inselinneren, Wasserfälle und - wie könnte es anders sein - ausgedehnte Sandstrände.


Ich glaube, so mancher kennt das lästerliche Gefühl: wie begehrenswert seine Stadt plötzlich erscheint, - wenn er ihr den Rücken gekehrt hat.

Dies ist nicht nur ironisch gemeint, darin liegt auch ein Geheimnis des Reisens verborgen.
Verlässt man doch beim Reisen ständig einen Ort und muss dafür die Kunst des Loslassens beherrschen; aber man weiß schon beim Abschied, dass man eigentlich nicht nur etwas verlässt, sondern auch auf etwas zugeht, etwas Neues und Aufregendes, etwas Fremdes vielleicht und eventuell Bedrohliches, dass man das schon Langweilige längst satt hat und nach dem noch Verborgenen lechzt. Eine solche Reise ist wie ein Versprechen und die Möglichkeit, sich bewusst zu werden, was der Globus so alles zu bieten hat: an weiten Horizonten, an Wunder und Wahnsinn, an Wohl- und Schandtaten in Fülle.


Wir vergnügen uns mit Strandspaziergängen, lesen und schlafen im Schatten, gönnen uns ab und zu einen Shake oder ein Bier,



beobachten intensiv Sonnenuntergänge, essen gegrillten Fisch. Nichtstun eben - auf sonnigem Niveau.






Am 14. März fahren wir mit Minibus und Fähre zurück nach Bangkok, wo wir den Abend hoffentlich mit Dani verbringen werden. Er wird am nächsten Tag nach Berlin zurückfliegen und wir genießen noch einen Tag im Travellerzentrum der Metropole.

Bangkok, 15. März 2017

Die Tage zuvor war es mit Unterbrechungen bewölkt und einigermaßen erträglich gewesen, da die Sonne nur sporadisch auftauchte, aber häufig hinter einigen Wolken eine Pause einlegte. Wir lagen so fast den ganzen Tag ohne Schutz in der Sonne.



Damit war es jetzt vorbei. Seit zwei Tagen brannte die Sonne unverschämt und ohne solche Pausen. Der Himmel war voll von greller Sonne und drückte auf den Sand und das Meer.



Mit jeder Stunde nahm die Hitze zu und spätestens in der Mittagsglut zog sich auch Edith in den Schatten der Bäume zurück. Das Glitzern des Meeres und die drückende Hitze waren unerträglich.

Die Tage war uns am Strand ein schwedisches älteres Paar aufgefallen. Und zwar durch ihre insgesamt aristokratische Erscheinung. Sonnenanbeter mit tiefbrauner Oberfläche.
Sie, eine hagere Dame mit viel zu dünnen Armen, kein bisschen Fett am Körper, unerhört braune, aber faltige Haut, weiß gewelltem, männlich nach hinten gekämmtem Haar und schwer zu bestimmendem Alter - in frühen Jahren eventuell eine Schönheit. Daran zumindest erinnern heute noch ihre Bewegungen und Gesten. Sie schien es gewohnt, sich vor Publikum zu bewegen. Augen auf ihren Augen.



All ihre Bewegungen waren langsam und mit Bedacht gesetzt. Meist stand sie lange aufrecht irgendwo, der Sonne zugewandt, am Strand und machte einen verlorenen Eindruck mit ihrer zu großen, goldgeränderten Sonnenbrille, die Hände erwartungsvoll in die Hüften gestemmt, so als warte sie schon allzu lange auf den leidigen Dienstboten, der ihr doch das Glück und die Jugend zurückzubringen versprach. Und wenn sie so breitbeinig im Sand stand, war trotz ihrer übermäßigen Dürre ein kleines Bäuchlein zu entdecken und man war sich sicher, sie würde es mit allerlei erdenklichen Methoden bekämpfen.

Er, ein kräftiger gealterter Beau mit noch lockerem, ebenfalls nach hinten gewelltem weißen Haar bewegte sich wie sie mit geradezu provozierender Langsamkeit, so dass man ihn beim Beobachten sicher als vornehm einstufen sollte. Beim Gehen schob er, leicht vorgebeugt, die Schultern nach vorne und erweckte den Eindruck, als würde er auch im Sand durch seichtes Wasser waten, was ihm Bedeutung und Wichtigkeit verlieh. Keine Ahnung, ob er sich dessen bewusst war. Aber einstudiert wirkte doch manches seiner Attitüden.

Es war neben dem Lesen - Austers „Sunset Park“ und Albert Camus „Der Fremde“ - eine nette Abwechslung, die beiden mit den Augen eine Weile zu verfolgen. Zumindest haben sie eines in ihrem wohl langen Leben gelernt: Das Leben in allen Facetten und Momenten zu genießen. Und man genoss dabei mit, wie sie das Leben genossen.

Ein weiteres Lebewesen am Strand war ebenfalls dem Nichtstun und Genuss zugetan.

Mit jeder Stunde, die die Heimreise näher rückt, wollen sich mehr und mehr Gedanken, welche Dinge zu Hause zu tun sein werden, in unser Bewusstsein drängen. Noch gelingt es uns, an den Berg von möglichen Notwendigkeiten keinerlei Energien zu verschwenden. Wir wollen den Wechsel der Welten einfach erfühlen. Wenngleich wir wissen, dass die feindliche Übernahme unserer Gefühle durch den gewohnten Alltag nicht zu vermeiden sein wird.

Aber wie zu Beginn unserer Reise, als die Gefühle im Vorfeld von Hoffen und Bangen, unterdrückten Ängsten geprägt waren, stellte sich im Moment unserer Abreise das großartige Gefühl von Freiheit und Wagnis ein, das uns im besten Sinne auf die kommenden Ereignisse einstellte.
So wollen wir zum Beispiel schon auf dem Frankfurter Flughafen und der Fahrt nach Ludwigsburg die Auswirkung der veränderten Geschwindigkeit auf unser Gemüt empfinden.

Und entdecken, wie unsere Gefühlswelt auf die alltäglichen Herausforderungen reagieren wird. Man könnte es sich denken, aber vielleicht ist es ja ganz anders.

Mal ganz abgesehen von den vielen geopolitischen Verwerfungen des letzten halben Jahres. Wer kennt sich denn noch aus in den türkisch-deutschen, innereuropäischen, europäisch-amerikanischen und sonstigen Verhältnissen? Uns hat vieles einfach nicht tangiert.
Die wirklichen Probleme in EU und Europa wurden aus unserer Kenntnis nicht angegangen. Da sind möglicherweise Nebenschauplätze ganz willkommen. Und aus der Ferne betrachtet wirkt eh vieles wie ein abstruses Spiel zur Belustigung der Leser und zur Ablenkung des Wahlvolkes im jeweiligen Land. Wie anders ist es zu verstehen, dass ein Präsident, der mehr als 100 000 Richter, Beamte und Offiziere in die Arbeitslosigkeit schickte und jegliche Opposition in die Gefängnisse, dass ein solcher Führer, der im eigenen Land für alle sichtbar faschistische Strukturen schafft, ein Land wie die Niederlande als „Metropole des Faschismus“ bezeichnen kann ohne gleichzeitig Lachanfälle ganzer Völker auszulösen? Oder warum lacht keiner, wenn der gleiche Herr sagt:“Wenn isch will, dann komm isch, ey!“ ?

Und zu allem Übel werden dann diese vielfältigen Verwirrnisse täglich noch in den vermaledeiten Talkshows gequirlt, so dass der Zuschauer am Ende alles und nichts mehr versteht.

Mal ganz ehrlich, mit welchen Gefühlen soll man in ein solches Chaos zurückkehren?

Der Minibus bringt uns heute in der Frühe auf die Fähre und vom Pier am Festland klimatisiert und problemlos nach Banglampoo in die Soi Rambuttri, im rechten Winkel um das beruhigende Wat Chana Songkhram mit den meditativ stillen Ecken gebaut.
Dieses quirlige kleine Rechteck ist für uns in Bangkok wie Heimat.

Hier treffen Thais, Inder und Akhafrauen, die etwas verkaufen wollen, auf zahllose Menschen aus aller Herren Länder in sackartigen Hosen, Tücher in die langen Haare geknotet, Hüte, wie es origineller nicht geht (manchmal ist der Hut das interressanteste am ganzen Menschen) und Flipflops an den Füßen, die etwas kaufen wollen. Sie tragen konkurrierende T-Shirts mit dem Logo diverser einheimischer Biermarken.
Die gefühlte Dichte von ungewöhnlicher und ausgefallener Bekleidung ist hier sicher höher als sonstwo in der Welt. Fast schon der Teil einer Uniform. Viele tragen Gewänder, die sie auf Märkten in Nordthailand oder Indien erfeilscht haben, ein Sarong hier oder ein Longiy dort. Und die Vielfalt der Tattoos - alle Körperpartien sind inzwischen erlaubt - da hat sich die Freiheit breit gemacht. Alles ist möglich, alles ist erlaubt. Man hat ja schließlich was zu sagen und muss sich mitteilen und Botschaften verbreiten. Und man muss sich schliesslich herausheben aus der Menge und auffallen. Dazu noch der undurchdringliche, der in die unsichere Zukunft gerichtete Blick. So sehen Helden der Individualitat unserer Zeit aus. Prima.

Und kaum sind wir im Lamphu House gelandet, wird unsere Zimmertür vorsichtig einen Spalt geöffnet - und wer steht da? Dani in voller Größe!

Wir haben uns viel zu erzählen, gehen essen, trinken Bier und Cocktails und fallen schließlich müde ins Bett.
Am Morgen nach einem frühen Frühstück fährt Dani zum Flughafen. Ab nach Berlin.


Die Farbe des Frühlings hier ist schwarz.
Bangkok in Zeiten der großen Trauer ist unerträglich.



Seit etwa 5 Monaten wird in dieser Stadt getrauert, auf höchstem Niveau. Ausländer stehen meist mit offenem Mund vor der großen Show.






Man findet keine Worte für diese gigantische Performance der Anbetung und Unterwerfung rund um den Sanam Luang. Der Platz und das Viertel um den Königspalast ist abgesperrt und autofrei und wenn man dort irgendwo hinwill, muss man aufwändige Kontrollen und Leibesvisitation über sich ergehen lassen. Und mit einer unglaublichen Präsenz von Militär und Polizei in schmucker und taillierter Uniform wird die Wichtigkeit der Sache - und des Militärs - dem Volke nahe gebracht.

Ähnlich wie für Erdogan der misslungene Putsch war für die Putschgeneräle in Bangkok der Tod des Königs „ein Geschenk Gottes“. Dort eben Allah und hier Buddha. In beiden Fällen wird ein Volk auf Linie gebracht.



Und mit ihm schaut das Thai-Volk in die Zukunft.

Das Ende der Reise ist nah. Wir genießen die letzten beiden Tage.
In Bangkok zeigt das Thermometer 37 Grad (gefühlte 41 Grad) und es ist schwülheiß und wir schwitzen uns durch die Schluchten. Die Phantasie versagt, wenn man sich die Temperaturunterschiede vorstellen soll. Obwohl Frühlingsanfang mit moderaten, netten Temperaturen zu Hause bedeutet es aber immerhin mehr als 20 Grad weniger.

Reisen ist einfach ein phantastisches Ding, besonders wenn man Zeit hat und vor Ort nach Bedürfnis entscheiden kann.
Unsere Eindrücke von diesen fast 6 Monaten sind vielfältig und weil noch nicht richtig verarbeitet und viele schon relativ weit zurückliegen, sind sie längst schon im Halbschatten des Vergessens angesiedelt.
Irgendwann werden sie wieder aufblitzen.
So viele Bilder, so viele Menschen und so viele Begebenheiten.

Am 16. März 2017 steigt die Maschine von Etihad kurz nach 20:00 Uhr in den nachtblauen Himmel und fliegt nach Nordwesten.