Auf der Insel Ko Kood
Ko Kood, 06. Dezember 2019
Wir sind auf der Insel.
Und obwohl es abgekühlt hat fühlen wir uns wohl am Palmen gesäumten Strand.
Am Morgen mit dem Taxi zunächst zum Pier,
mit der Fähre „Princess“ zwei Stunden zur Insel Ko Kood weit im Süden des Ko Chang Archipels im „Marine Nationalpark“.
Das einstige Schmuggler- und Piratenparadies ist erst sehr spät erwacht und wird nun als großer Inselschatz regelrecht gestürmt, seit der Kinohit „Türkisch für Anfänger“ hier gedreht wurde. Die Insel bietet dich bewaldete Berge, Wasserfälle, Lagunen, Mangrovenlandschaften und natürlich herrliche Sandstrände. In einigen Fischerdörfern wohnen insgesamt etwa 2000 Bewohner.
Das Boot legt im Stelzendorf Ban Salad an und mit dem Songthaew geht es auf schmalen Straßen durch Wälder, oft steil hügelauf und wieder ebenso steil hinab. Wir hocken gequetscht im Sammeltaxi und sehen recht wenig, dürfen aber als erste unten im Südwesten der Insel aussteigen, am Ngamkho Resort am Ende der 700 m langen „Klong Chao“ Bucht.
Eine wohl über ein ganzes Leben entstandene Anlage mit einfachen Bungalows und einem Restaurant, das über die vielen Jahre wie aus dem Sand in natürlicher Weise gewachsen scheint, Stück für Stück. Einiges längst verrottet oder in irgendeinem Winkel in Vergessenheit geraten.
Umgeben vom Palmenhain und Blütensträuchern und dann das sanft rauschende Meer am weißen Strand. Und die vielen Bänke und Hängematten! Wir sind fasziniert!
Stopp!
Ich habe eigenartige Probleme mit Landschaftsbeschreibungen. Es sei denn, die Gegend ist hässlich. Über Hässliches, Abartiges, Elendiges schreibt es sich praktisch fast wie von selbst. Aber Schönheit ist schwierig, und je schöner das Schöne daherkommt, desto mehr komme ich ins Schwärmen, wird meine Wahrnehmung und Ausdrucksweise kitschiger. Und jeder, der mich hört, weiß genau, der übertreibt mal wieder.
Am ersten Morgen - es war gestern Abend um 6 pm stockdunkel, das Restaurant schloss um 7 pm, die Familie ging schlafen, nichts tat sich mehr, also gingen auch wir um 9 Uhr schlafen, wachten natürlich um 6 Uhr morgens auf - hat es abgekühlt, aber die ersten Sonnenstrahlen wärmen schon ein wenig, das Meer rauscht unverschämt laut und ewig, der Himmel strahlt blau ohne ein Wölkchen. Der Wind aber ist noch frisch, frischer als das Wasser.
Alles, die gegerbten, überdünnen Palmstämme, die Holzschaukeln, wackligen Holzbänke, die Stühle und all das Selbstgebastelte aus Tonscherben, Holz und Seilen ist vom Wind und vom Meer und der Zeit gezeichnet.
Aber alles trägt zum Bild der Idylle wesentlich bei.
Ngamkho Resort Ko Kood, 10. Dezember 2019
Heute hat Daniel Geburtstag. Er wird 46 Jahre alt. Potzblitz, wie die Zeit vergeht.
Als ich 46 war - sagt der alde Vaddor - es war das Jahr 1990, gerade wurde die DDR übernommen und man feierte noch taumelnd die Wiedervereinigung - war Daniel gerade mal 17 und er stand vor dem Abitur. Zu der Zeit warst er noch mit der lebenslustigen Bea liiert, die auch ein Techtelmechtel (nettes Wort) mit Hermann Esch hatte, dem Stadtindianer unserer Kommunezeit. Ausgerechnet er hatte Daniel in seinen ersten Lebensmonaten eine "Fütterungsuhr" gebastelt, um die Gruppe an dessen möglichen Hunger zu erinnern. So schräg können Lebensverhältnisse sein! Dieses kalte Experiment war aber nach kurzer Zeit beendet und die Uhr hatte ausgedient, wie viele gutgemeinte, aber dumme Ideen vorher.
Ein Blitzlicht! Eine Erinnerung im Augenblick.
Nach zwei Tagen süßem Nichtstun haben wir unser Kokospalmenparadies verlassen. Die Straßen der Insel sind äußerst eng, so dass man als Fußgänger kaum sicheren Platz am Rande findet und ständig auf der Hut ist. Von entspanntem Spaziergang keine Spur. Zudem ist die Straße kurvig und ungeheuer steil. Befahren mit vorbeirauschenden Songthaews und surrenden Scootern. So ist man irgendwie auf verlorenem Posten, fehl am Platz.
Wir dachten einen kleinen Spaziergang zum Dorf der Bucht zu machen. Aber die Straße windet sich hügelauf und ab, an Guesthäusern und Diver-Paradiesen, an einem Mangrovensumpf samt Stelzenhäusern vorbei und lange kein Dorf in Sicht. Nie auch ein Blick auf das Meer. Vor der nächsten Steilwand kapitulieren wir und kehren um.
Heute Morgen ist der Wind und das Meer wild. Die Wellen schlagen mit Aggressivitat an die Palmwurzeln am Strand und landen gar auf dem Grün.
Holz und alte Kokosnüsse werden reihenweise angeschwemmt und unser Sisyphos (er hat offensichtlich den Auftrag, Rasen und Strand vom Müll sauber zu halten, was er auch unaufhörlich tut) ist vergeblich damit beschäftigt, den angeschwemmten Schmutz eiligst zu entfernen. Er erledigt aber seine Aufgabe mit dem fröhlichen Gleichmut seines berühmten Vorbilds. Ein schönes Symbol des Absurden!
An Baden ist heute nicht zu denken. Dazu sind die Wellen zu hoch und zu kräftig und der Untersog viel zu stark. Also Hängematte und Recherche.
Ein Nachtrag zu Kambodscha.
Als wir in der Provinz Koh Kong im Westen von Kambodscha die Berglandschaft verlassen und uns der Küstenregion genähert haben, fielen uns die vielen chinesischen Schrifttafeln und -zeichen auf. Auch in der Grenzstadt Koh Kong. Die letzten 10 Kilometer bis zur Grenze nach Thailand aber waren voll in chinesischer Hand, so schien es uns. Neue, überdimensionierte Gebäude mit riesigen repräsentativen Portalen und respektable Lagerhäuser in der zweiten Reihe. Der Höhepunkt aber war direkt vor der Grenze. Prunkvolle Paläste für mehrere Casinos, teure Hotelanlagen, Villen aneinandergereiht. Kambodschanisch war nur die Straße.
Hier in der Hängematte nun haben wir recherchiert.
In vielen Artikeln von Spiegel.online, Zeit.online, Handelsblatt, ARD usw. ist ein Tenor herauszulesen.
Nicht nur die chinesischen Privatinvestoren in ganz Südostasien erobern große Teile der Länder.
Der Staat China versucht seit Jahren Kambodscha als Stützpunkt auszubauen. Und er investiert zwischen 2013 und 2017 5,3 Milliarden (mehr noch als das eigene Land) in das Land ohne große Bedingungen daran zu knüpfen. Das Handelsvolumen soll bis 2020 auf neun Milliarden Dollar wachsen. Hun Sen, der schon 33 Jahre an der Macht ist, jede Opposition abgeschafft hat und auf dem Weg (der auch von gefangen genommenen, gefolterten und von Mordkommandos umgebrachten Oppositionellen aller Couleur gepflastert ist) zu einer Diktatur ist, lässt sich gerne mit diesen „freien“ Geldern ködern.
Inzwischen sind 7 Staudämme am Mekong, riesige Hochhäuser und ganze Stadtviertel von Phnom Penh in chinesischer Hand, die touristische Metropole Siem Reap wird überflutet von chinesischen Touristenmassen, die nur in chinesischen Hotels unterkommen, der Vorzeigebadeort Sihanoukville ist mit seinen hochgezogenen Hotels, den vielen Casinos inzwischen Rückzugsraum der chinesischen Mafia geworden, von westlichen Touristen gemieden.
Aber die Provinz Koh Kong bildet den Höhepunkt. Der Spiegel schreibt:
„Dort hat die kambodschanische Regierung 45.000 Hektar Land und 20 Prozent des Küstengebietes an die chinesische Firma Union Development Group verpachtet. Nun entsteht dort neben Luxusresorts und einem Golfplatz ein internationaler Flughafen, der größtenteils bis Ende 2020 fertiggestellt werden soll. Satellitenbilder lassen allerdings vermuten, dass die dort gebaute Landebahn weit länger ist, als es für kommerzielle Zwecke nötig wäre. Auch der Hafen, der nicht weit davon entfernt ausgebaut wird, löste Spekulationen aus. Die Nachrichtenseite "Asia Times" mit Sitz in Hongkong veröffentlichte dazu einen Artikel mit dem Titel "Kambodscha im Zentrum eines neuen Kalten Krieges". Darin wurden anonyme Quellen zitiert, wonach der Hafen den Chinesen als Marinebasis dienen könnte, auch wenn noch unklar sei, wie weit die Bauarbeiten dazu fortgeschritten seien.“

Die Frage danach, was in Koh Kong vor sich geht, beschäftigt inzwischen auch die US-Regierung.
„Vize-Präsident Mike Pence schrieb Premier Hun Sen im vergangenen November einen Brief, in dem er seine Sorge über etwaige Entwicklungen zum Ausdruck brachte. Dessen Regierung weist die Berichte dazu vehement als "fake news" zurück - und verweist darauf, dass die Errichtung einer chinesischen Militärbasis gegen die kambodschanische Verfassung verstoße.“ schrieb der Spiegel und das Handelsblatt vom 22.07.2019:
„Besonders die USA fürchten, dass China gerade dabei ist, sich in dem südostasiatischen Staat eine Basis für seine Streitkräfte zu sichern. Belegen soll das ein angeblicher Geheimvertrag. Und auch ein aufsehenerregendes 3,8-Milliarden-Dollar-Geschäft eines chinesischen Konzerns wirft Fragen auf. „
Unter dem Schirm des neuen Freundes China kann Hun Sen endlich seine absolute Macht prächtig ausbauen. Nutzen kann diese Freundschaft nur seinem Machterhalt, nicht aber den Kambodschanern.
An all den genannten Orten klagen die Menschen über die Chinesen, über ihre Art, Feste zu feiern, über ihr lautes und dominantes Verhalten und über den Rückgang ihres Einkommens, weil die neuen Freunde in Massen nur in chinesischen Hotels schlafen, in chinesischen Restaurants essen, kein Tuk Tuk, sondern nur luxuriöse Minibusse in chinesischem Besitz benutzen.
Die kleinen Leute sind eindeutig die Verlierer.
Die Menschenrechtlerin Cheap meint über die chinesischen Touristenmassen:
„Eine Menge von den Chinesen hier benehmen sich wirklich schlecht. In meiner Nachbarschaft machen die nachts immer einen Mordslärm, singen, schreien und fluchen. Und wenn ich höflich um etwas mehr Ruhe bitte, dann drohen sie. Und sie werfen ihren Müll auf die Straße. Sie sind unhöflich und haben keinen Respekt vor den Einheimischen."
Und zu den chinesischen Investoren meint sie:
„Sie kommen ja nicht nur nach Kambodscha, sondern auch nach Laos, nach Myanmar, nach Afrika. Sie nennen sich Investoren, aber in Wahrheit kommen sie als Besatzer in die armen Länder. Und irgendwann bestimmen sie die Regeln. Unsere Regierung in Kambodscha ist so begeistert, dass die Chinesen so viel Geld bringen, dass sie keinerlei Bedingungen stellen was Menschenrechte betrifft etwa oder Demokratie."
Diese Art chinesischer imperialer Kultur zieht einen Rattenschwanz hinter sich her, denn es ist nicht nur so, dass die Menschen in den kambodschanischen Städten ihre Arbeit und oft auch ihr Zuhause verlieren, sondern die Chinesen, die anschließend die schicken Hotels und perversen Casinoanlagen nutzen, vertreiben auch die klassischen, westlichen Touristen. Die Touristen, die aber wiederum den Einheimischen den Lebensunterhalt finanzierten (Sokra kann ein Lied davon singen).
Was macht das mit einem Land?
Neben dem Acker, dem Zuhause und der Arbeit verlieren die Menschen auch ihre Tradition. Sie verlieren ihre Kultur, ihre Religion und ihren Glauben. Und vor allem: Sie landen in der Armut.
Und - sind Fremde im eigenen Land.
Und - die EU schweigt zu alledem.
Die Insel ist 23 km lang und 9 km breit.
Eigentlich fanden wir unseren Bungalow schon etwas teuer mit 800 Baht (für Größe und die Ausstattung) aber verglichen mit den umliegenden Resorts und seinen Preisen - 3000 Baht, 2000Baht - relativiert es sich. Ein Resort hat sogar einen eigenen Flughafen und das sorgt wohl dafür, dass hier schon einige Berühmtheiten wie Angelina Joli und David Beckham angeschwemmt wurden. Mal sehen, ob wir sie erkennen, wenn sie hier vorbeischwimmen?
Ansonsten lebt es sich ganz beschaulich im Off. Fast erstarrt ist das Leben im Restaurant. In der Mitte befindet sich ein alter Ledersessel, ein Thron. Umgeben auch von verschiedenen Fotos von Bhumipol sitzt der Besitzer, wie eine Kröte und quakt schlecht gelaunt vor sich hin. Ab und zu gönnt er sich dann ein paar Kekse, dafür steht er auch schon auf, um die Dose zu holen und dann kann es schon mal sein, dass er stundenlang Kekse isst.
Mehr ist nicht. Jeder bedient sich selbst am Kühlschrank und schreibt alles auf einen Block, auch sehr gemütlich und vertrauensvoll.
4 Hunde - ziemlich übergewichtig, mit kurzen Füßen die weit nach außen gebogen sind und deshalb nur seltsame Bewegungen zulassen - liegen um den Thron verteilt und werden hyperaktiv sobald sich ein „Fremder“ nähert. Stürmen los, wenn man bei der Gangart von „stürmen“ reden kann und auf den Zuruf oder ein Quaken haben sie dann ploetzlich vergessen, was sie eigentlich wollten und schauen die Fremden ratlos und sich selbst irritiert an.
3 Frauen arbeiten in der Küche und die machen das wirklich gut, es schmeckt uns immer fantastisch!
Joddi ist für den Bereich Cafe zuständig und wenn da nichts los ist, fällt sie auch immer wieder in den gleichen Sessel mit Blick auf das Smartphone. Hinter der Theke, sitzt ein Junge, der sich genauso verhält. Mit den Leuten ins Gespräch wollen alle nicht kommen. Sie sind froh, wenn Ruhe ist.
Irgendwie scheint sich das auf die Gäste zu übertragen, es herrscht eine freundliche oberflächliche Stimmung, man nickt sich zu, mehr ist nicht.
Ein theatralischer Italierner übt sich ständig in theatralischen Beschreibungen und strandet aber auch immer jäh im Nichts... ein Schulterzucken, ein Nicken oder ein kleines Kichern mit einem „Kaaaah“ ist schon alles, was er für so viel Szene zurückbekommt.
Und dann gibt es noch Sysiphos, ein Junge, unermüdlich harkt er den Rasen und befreit ihn vom Sand, am Strand bringt er das angeschwemmte Strandgut weg und der Boden im Garten wird noch gefegt, damit nicht soviel herabfallendes Laub und Blüten rumliegt. Hinten aufgehört, kann er schon längst wieder vorne anfangen. Er scheint eine ausgeglichene Natur zu haben, denn er ist mit der immer gleichen Hingabe aktiv.
Und wir kommen und gehen wie das Meer, das immer gleiche Spiel, bis in alle Ewigkeit......
Morgen fahren wir in aller Gemütlichkeit mit dem Slowboat auf die große Nachbarinsel Koh Chang, die zweitletzte Station unserer Reise.
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